Bremssystem mit Sand

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Ronny Kraus
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Ronny Kraus »

Also die Bahnen in Leipzig nutzen die Magnetschienenbremse nur in Gefahrenfällen, da das vollständige Bremsen damit sehr fahrgastunfreundlich wäre. Bei der Eisenbahn darf die Magnetschienenbremse nur bei Geschwindigkeiten von mehr als 50 Km/h genutzt werden, da ihr Haftwert bei niedrigeren Geschwindigkeiten zu hoch wäre. Sie schaltet sich daher automatisch ab. Ansonsten (z.B. bei Störungen gut zu merken) würde der Zug bei einer geringeren Geschwindigkeit sofort zum Stehen kommen. Neuere Züge bremsen mit Wirbelstrombremsen, die das Gleis nicht mehr berühren müssen, um eine Bremswirkung zu erzielen. Die Wirbelstrombremse ist im übrigen auch die einzige Bremse die auf nassen Gleisen besser bremst als auf trockenen...
Jan Bochmann
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Jan Bochmann »

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Bei allen Straßenbahnen, die ich genauer kenne, ist die Federspeicherbremse nicht so bald dabei.
<hr></blockquote></p>

Richtig. Die FSB ist eine Feststellbremse. Sie wird nur im Stillstand verwendet und läuft beim Bremsen etwa bei 3km/h ein. Bei höheren Geschwindigkeiten würden sofort die Räder blockieren, denn diese Art Bremse ist "einlösig", d.h. entweder sie bremst mit voller Kraft oder gar nicht, dazwischen gibt es keine Regelstufen. FSB haben z.B. die Tatrawagen (elektrisch gelöst), diverse Stadtbahnen (auch mit pneumatischer oder hydraulischer Lösung), aber auch Busse und Lkw.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Wir fahren mal imaginär an eine Haltestelle:
- Kurbel in Bremsrichtung drehen: Motoren wirken als Generator, entstehender Strom wird zurückgespeist oder auf dem Dach verheizt (Elektrobremse)
<hr></blockquote></p>

Das ist die normale Betriebsbremse. Sie wirkt nur leider nicht ganz bis 0km/h, deshalb braucht man dann eine Feststellbremse (z.B. FSB oder Ratschenbremse). Die Widerstände befinden sich normalerweise auf dem Dach oder unter dem Wagenboden (Tatra). Bei modernen Fahrzeugen kann man allerdings durch "Fremderregung" (Gegenspannung in die Motoren) doch bis 0km/h bremsen. Dabei wird dann aber unterhalb etwa 5km/h kein Strom erzeugt, sondern welcher verbraucht. Vorteil ist ein weicheres Anhalten. Realisiert ist das z.B. in der TV14-Steuerung von CKD.

Es gibt auch ältere Straßenbahnen, die als Betriebsbremse mit Druckluftbremse arbeiten anstatt generatorisch. Das war lange Zeit in Leipzig der Fall, auch in Schöneiche und Hohenstein-EThal. Solche Tw sind daran zu erkennen, daß der Fahrschalter keine Bremsstufen aufweist und ein Führerstandsbremsventil vorhanden ist (ähnlich wie auf Loks). Vorteil: Die Bremse wirkt auch bei Motorschaden, gleiche Technik in Tw und Bw, Bremsen bis zum Stillstand möglich, Motoren und Getriebe werden weniger belastet. Nachteil: viele zusätzliche Teile wie Kompressoren, Leitungen, Ventile, Schlauchkupplungen, die auch alle kaputt gehen können. Nach längerer Abstellung ist die Bremse unmittelbar nach dem Anfahren noch nicht verwendbar, weil die Luftbehälter erst während der Fahrt durch die Achskompressoren aufgeladen werden.

Beiwagen können nicht generatorisch bremsen, weil sie keine Motoren haben. Deswegen entweder mit Druckluft oder E-Magnet (Solenoidbremse), die Bremszangen auf eine Bremsscheibe an der Achse drücken. Beim Tatra K2 und B4D sind FSB und Solenoidbremse in einer Einheit zusammengefaßt, d.h. die Bremszangen und -scheibe gibt es pro Achse nur einmal.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
- Kurz vor dem Stillstand (wenn diese Bremse ineffektiv wird) kommt die Magnetschienenbremse dazu. Dabei zieht sich ein Elektromagnet auf dem Gleis fest und hält das Fahrzeug an Ort und Stelle.
<hr></blockquote></p>

Die Magnetschienenbremse ist eine reine Zusatzbremse. Im normalen Betrieb wird sie nicht verwendet, nur bei Not- und Gefahrenbremsungen sowie bei schlechten Schienenverhältnissen (Schmierfilm). Hier gibt es einen Unterschied zwischen Eisenbahn und Strab: Bei Eisenbahnen wird die Mg-Bremse nur im höheren Geschwindigkeitsbereich verwendet, bei Straßenbahnen dagegen kann sie immer genutzt werden, bis zum Stillstand. Freilich gibt es Fahrer, die die Mg-Bremse ziemlich oft einsetzen, aber es ist nicht so gedacht...

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Mit Sand hat das alles erst mal nichts zu tun, der ist nur das Hilfsmittel, wenn die Schienen rutschig sind oder eine Schnellbremsung eingeleitet wird.
<hr></blockquote></p>

Genauso ist es mit der Magnetschienenbremse.

Anmerkung: Fortsetzung im nächsten Posting wegen Überschreitung 5KB
Jan Bochmann
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Jan Bochmann »

(Fortsetzung... nach 100sec Spamschutz)

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Da muß man bei den Kurbelwagen alles manuell tun indem man den Sand dazuschaltet und die Magnete per Knopf betätigt. Bei Sollwertgeber einfach zum Anschlag nach hinten reißen und bei Pedalsteuerung die Bremse bis unten durchtreten - beides führt dazu, daß die E-Bremse voll anlegt, die Magnete fallen und der Sandstreuer öffnet.
<hr></blockquote></p>

Bei modernen Wagen (schon beim T4D) ist das z.T. miteinander gekoppelt. Beim Tatra fallen in der 6.Bremsstufe die Mg-Bremsen der jeweils hinteren Drehgestelle, in der 7.Stufe dann alle (und dazu klingelt die Warnglocke). Beim Ansprechen des Gleitschutzes (ähnlich ABS beim Auto) fallen diese Bremsen auch, bei neueren Fahrzeugen wird dazu auch automatisch Sand geschüttet. Beides kann der Fahrer aber auch extra und einzeln auslösen, je nach Fahrzeugtyp über Drucktaster oder Pedale.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Um auf das Rückspeisen der Energie zurück zu kommen, bei vielen Fahrzeugen ist es jetzt so, dass diese Energie entweder durch die Choppersteuerung ans Netz abgegeben wird, oder gespeichert wird. Mit der gespeicherten Energie kann das Fahrzeug noch bis zu 1000m ohne Strom fahren.
<hr></blockquote></p>

Zu dieser Speicherung gibt es zwar viele Experimente, aber von einer serienmäßigen Nutzung weiß ich nichts. Das Problem hierbei ist, wie man Energie so schnell speichern kann: Akkus laden ist immer ein langsamer Vorgang, das geht also nicht. So gibt es Varianten mit Schwungrädern (rotierender Speicher) oder leistungsfähigen Kondensatoren, sowohl im Fahrzeug als auch stationär. Letzteres wurde vor einiger Zeit mal in Dresden-Gorbitz getestet, ersteres gab es in den 1950er Jahren schon mal als sogenannten Gyro-Bus, u.a. in Italien. Dieser hatte keine Fahrleitung, sondern nur an den Haltestellen Strommasten mit Kontakten, wo das Schwungrad beschleunigt wurde. Nachteile des Systems sind der kurzzeitige hohe Stromverbrauch, die hohe Fahrzeugmasse und und die schlechten Fahreigenschaften: Ein schweres rotierendes Rad hat gewisse Stabilisierungseigenschaften (wie ein Kreiselkompaß), und ein solches Fahrzeug hat deshalb je nach Drehzahl des Rades andere Lenk- und Bremseigenschaften.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
In Berlin gab es mal eine S-Bahn Baureihe, wo die Bremsenergie in Energie für die Heizung umgewandelt wurde. Die Heizungen waren unter den Sitzen. Es saß nie jemand...
<hr></blockquote></p>

??? Diese Technologie war jahrzehntelang Standard bei nahezu allen Straßenbahn-Tw, die elektrisch gebremst wurden (u.a. Lowa, Gotha, Reko, viele Tw aus den 1920er Jahren). Ein Teil der Widerstände ist doppelt vorhanden, nämlich nochmal im Wageninneren als Heizung. Im Winter wird auf diese umgeschaltet, anstelle der Dachwiderstände. Deswegen waren Tw früher meist wärmer als die Bw, die mit teurem Frischstrom oder gar nicht beheizt wurden. Auch heute gibt es wieder Entwicklungen, die Heizung und/oder Klimaanlage mit Bremsstrom zu betreiben. Grund dafür ist, daß der Wirkungsgrad der Stromrückgewinnung immer schlechter wird, weil immer weniger Züge auf den Netzen unterwegs sind.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Also die Bahnen in Leipzig nutzen die Magnetschienenbremse nur in Gefahrenfällen, da das vollständige Bremsen damit sehr fahrgastunfreundlich wäre.
<hr></blockquote></p>

Richtig. Beim Anhalten mit Mg-Bremse entsteht ein ziemlich derber Ruck.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Bei der Eisenbahn darf die Magnetschienenbremse nur bei Geschwindigkeiten von mehr als 50 Km/h genutzt werden, da ihr Haftwert bei niedrigeren Geschwindigkeiten zu hoch wäre. Sie schaltet sich daher automatisch ab. Ansonsten (z.B. bei Störungen gut zu merken) würde der Zug bei einer geringeren Geschwindigkeit sofort zum Stehen kommen. Neuere Züge bremsen mit Wirbelstrombremsen, die das Gleis nicht mehr berühren müssen, um eine Bremswirkung zu erzielen. Die Wirbelstrombremse ist im übrigen auch die einzige Bremse die auf nassen Gleisen besser bremst als auf trockenen...
<hr></blockquote></p>

Das ist allerdings eigenartig: Auf nassen Gleisen sind die Reibwerte etwa gleich zu trockenen, sauberen Gleisen. Kritisch für Schienenfahrzeuge sind nur feuchte Gleise (Nieselregen, Anfang eines Regens, Abtrocknen nach dem Regen) und schmutzige Gleise (Öl/Fett, Laub, Tausalzkristalle). Bei nassen Gleisen wird der Schmutz abgewaschen und die Bremswirkung daher bei längerem Regen sogar besser. Aquaplaning, Schnee oder Glatteis sind für Schienenfahrzeuge kein Problem. Allerdings müßte das alles für alle Arten von Bremsen gelten, unabhängig von ihrer Bauart. Um den Reibwert zu erhöhen, gibt es den Sand. Ein Problem ist lediglich Schnee: Wenn der Wagenboden darauf aufsitzt (bei Niederflurwagen kann das schnell vorkommen), verringert sich die auf die Räder wirkende Last und damit der Reibwert. Da hilft auch kein Sand mehr. Das ist allerdings beim Anfahren ärgerlicher als beim Bremsen.

MfG
Jan Bochmann
Mirko Cisar
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Mirko Cisar »

Howdie Jan!

Mit der Magnetschienenbremse muß ich Dich zumindest für mir bekannte Fahrzeuge aus den 20er bis 60er Jahren (üstra und Rheinbahn) enttäuschen. Die haben eine "Frischstrom-Magnetschienenbremse", die in der letzten Bremsstufe mit anlegt und auch kurz vorm Stillstand benutzt werden sollte. Zumindest bei den Üstra-Stahlwagen führt ein gewohnheitsmäßiges Anziehen der Handbremse im Ausrollen zu Gestängesalat und darf nur zum Anhalten bei Ausfall der anderen Bremssysteme durchgeführt werden. Erst wenn man steht wird die Handbremse aufgezogen und die Magnetbremse gelöst (sonst raucht sie wegen der Hitze - sind ja immerhin gleichstromdurchflossene Spulen)
Bin da zwar nicht mehr regelmäßig aktiv aber man könnte sich ja mal auf Absprache im HSM bei Hannover treffen ( www.wehmingen.de )

Mirko
Jan Bochmann
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Jan Bochmann »

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Howdie Jan!

Mit der Magnetschienenbremse muß ich Dich zumindest für mir bekannte Fahrzeuge aus den 20er bis 60er Jahren (üstra und Rheinbahn) enttäuschen. Die haben eine "Frischstrom-Magnetschienenbremse"...
<hr></blockquote></p>

Das hat erstmal mit der Anwendung nichts zu tun: Wohl alle älteren Strab-Mg-Bremsen sind Frischstrom-Bremsen (auch z.B. beim Gotha-Wagen). Die älteren Fahrzeuge hatten keine Kleinspannungsanlage (und also keine Batterie) oder die Batterie war zu schwach.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
>..die in der letzten Bremsstufe mit anlegt und auch kurz vorm Stillstand benutzt werden sollte. Zumindest bei den Üstra-Stahlwagen führt ein gewohnheitsmäßiges Anziehen der Handbremse im Ausrollen zu Gestängesalat und darf nur zum Anhalten bei Ausfall der anderen Bremssysteme durchgeführt werden.
Erst wenn man steht wird die Handbremse aufgezogen und die Magnetbremse gelöst (sonst raucht sie wegen der Hitze - sind ja immerhin gleichstromdurchflossene Spulen)
<hr></blockquote></p>

D.h. Anhalten bei Stromausfall ist etwas stressig... Das Ganze klingt etwas hart gegenüber den Fahrzeugen und Fahrgästen.

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>
Bin da zwar nicht mehr regelmäßig aktiv aber man könnte sich ja mal auf Absprache im HSM bei Hannover treffen ( www.wehmingen.de )
Mirko<hr></blockquote></p>

Das ist ja ewig weit weg... ;-)

Gruß
Jan B.
Mirko Cisar
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Re: Bremssystem mit Sand

Beitrag von Mirko Cisar »

Howdie!

Von mir isses inzwischen auch weit weg - 2 1/2 Stunden Auto oder 3 1/2 Stunden Bus/Bahn. Daher ja als wohlgeplante Aktion.

Von dem Anhalten mit dieser Bremse bekommste außer einem kurzen "Klock" wenn die Magnete auf der Schiene aufsetzen nix mit. Glaub mir, ich hab schon ein paar Kilometer auf unseren beiden Aufbauwagen (Üstra 236 war in seinem Vorkriegsleben Stahlwagen, hat also dessen Technik, was der von der Rheinbahn mal war weiß ich nicht aber er funktioniert bremsmäßig genauso) abgeritten.
Anhalten bei Stromausfall mit einem Dreiwagenzug war sicherlich stressig. Bei dem schwachbrüstigen Unterwerk im HSM machen wir das zwar öfter als fürs Gestänge gut ist, haste aber dank Solo-TW und maximal 15 km/h keinen Streß mit. Einfach Handbremskurbel zwei bis drei mal Aufratschen und man steht.

Mirko
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